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108 Verbeugungen um 3 Uhr morgens – Templestay in den Bergen (10.-15.05.2016)

Nach unserem Abenteuer in Taiwan mussten wir am Dienstag der 11. Woche meines Auslandssemesters wieder zum Ernst des Lebens, konkret zum Koreanischkurs und dementsprechend zum Lernen zurückkehren. Eine Woche vor den Abschlussprüfungen hat sich dabei schon etwas das “Endspurt-Gefühl” eingestellt, deshalb haben eine Sprachkurs-Kollegin und ich unsere Kameras mitgenommen und ein paar Erinnerungsbilder gemacht. 🙂 Nach dem Koreanischkurs war wieder einmal das zweiwöchentliche floor meeting auf dem Programm.

Tags darauf bin ich dann – wieder einmal 😀 – zur österreichischen Botschaft gefahren, die ich inzwischen wahrscheinlich sogar im Schlaf finden würde. Ich musste nämlich meine Wahlkarte für den zweiten Wahlgang abgeben (das war also mein Beitrag zum “Wahlbetrug” *ironieaus*). Danach hat mich, aus welchem Grund auch immer, die Einkaufswut gepackt und ich habe viiiiel zu viel Geld für Kosmetika ausgegeben. Aber: das war rückblickend gar nicht so schlimm, denn unser Templestay am Wochenende kostete aufgrund von Buddhas Geburtstag nur einen Bruchteil des normalen Preises, also waren die teuren Duschgels und Bodylotions schon drin. 😀 Am Donnerstag besuchte ich wie immer meine beiden Seminare und den Koreanischkurs, bei dem es mit der “written test preparation” endgültig in Richtung Finale zuging. Etwas verunsichert begann ich dann auch schon am Freitag (jaaaa, normalerweise bin ich echt ein “last minute-Lerner”) mit dem Wiederholen und Üben für die Abschlussprüfung. Denn ich wollte weder mit den Anrechnungen an der KF-Uni Stress bekommen noch auf die rund 200 Euro Kaution verzichten … Außerdem war mir klar, dass ich am Wochenende aufgrund unseres Templestays keine Zeit haben würde – und das war tatsächlich so. Spätabends ging ich dann noch mit dem P.O.E.-Club in ein board games-Café, in dem man, wie der Name schon sagt, verschiedenste Spiele spielen kann. Eine sehr feine Sache wie ich finde!

Am frühen Samstagmorgen brachen wir also in Richtung Beopjusa Tempel (법주사) nahe des Songnisan Nationalparks (Provinz Chungcheongbuk-do, Zentralkorea) auf. Laura hatte den Tempel und sein “program for international participants” beim Stöbern im Netz gefunden. Erste Hürde: Bustickets. Der Ticketautomat beim Busbahnhof war nämlich nur auf Koreanisch zu bedienen, was die Sache nicht unbedingt einfacher machte. Zum Glück hat uns jemand geholfen … Ebenfalls kurios: Beim Einsteigen in den Bus habe ich – wieder völlig zufällig – Kathi getroffen (sie hat mir damals die Überraschungsbox von Michael gebracht). Wir hatten uns tatsächlich denselben Tempel und dasselbe Datum für den Templestay ausgesucht. 😀 Nach rund vier Stunden Fahrt sind wir – das sind Megan und Kim aus den USA, Nicky aus Australien, Laura und ich – schließlich in Songnisan angekommen und dann noch eine halbe Stunde zu Fuß zum Tempel spaziert. Beopjusa ist von Bergen umgeben und unter anderem für seine riesige Buddhastatue bekannt, die schon beim Betreten des Tempels zu sehen ist. Die Lage ist wirklich cool, vor allem, wenn man, so wie wir, aus der Großstadt kommt und einfach einmal in der Natur sein möchte. Der blaue Himmel, so ganz ohne pollution, hatte schon was … 😉

Gleich nach der Ankunft und dem Bezug unseres bettlosen, aber sehr schönen Zimmers bekamen wir unsere Uniformen (Männer wie Frauen), die wir den gesamten Aufenthalt über anbehielten und die zugegeben nicht besonders “flattering” waren. 😀 Aber gut, das ist bei jedem Templestay so. Ein Mönch (?) und eine junge Freiwillige zeigten uns sogleich die wichtigsten Ecken des Tempels und machten auch viele Fotos von uns, die sie uns dann wenige Tage später per dropbox zukommen ließen. Wir bekamen heißen und kalten Tee, fertigten einen Druck nach “woodblock printing”-Technik an, durften die große Glocke des Tempels läuten, bastelten eine Lotusblume aus Papier und dann ging es schon zur orientation, bei der wir und die rund 40 weiteren Teilnehmer die Grundregeln des Tempellebens erklärt bekamen – so muss man sich etwa verbeugen, wenn man einem Mönch begegnet und sollte beim Gehen nicht sprechen. Außerdem wurde uns gezeigt, wie man eine buddhistische Verbeugung macht (das ist gar nicht so einfach und bei vielen Wiederholungen auch ganz schön anstrengend :D). Danach war Essen angesagt, natürlich vegetarisch und ohne etwas zu verschwenden. Beim abendlichen Glocken- und Trommelritual im Freien durften wir übrigens in der ersten Reihe stehen (wegen Buddhas Geburtstag waren noch viele andere Besucher da). Höhepunkt des ersten Tages war dann wohl eine Art Parade, bei der wir samt Laternen, Getrommel und Feuerwerk in den Ort “marschiert” sind. Buddhas Geburtstag ist eben nicht irgendein Tag … Um 21 Uhr hieß es dann schon “Licht aus”, denn nur sechs Stunden später mussten wir schon wieder aufstehen.

Und dieser frühe Start in den Tag hatte es ganz schön in sich! Nach dem Morgenritual machten wir nämlich die “108 Verbeugungen”. Visit Korea sagt dazu: “Ein Grund, warum man eine Serie von 108 Verbeugungen braucht, um alle schlechten Handlungen, die man getan hat, loszuwerden, sind die „Sechs Kontaktpunkte“ (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Anfassen und Denken), die durch die Sechs Sinne produziert werden (Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper, Geist) und dies hat sich unendlich durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fortgesetzt (6 x 6 x 3 = 108).” Es geht also etwa darum, sich dessen bewusst zu werden, was man in der Vergangenheit schlecht gemacht hat und was man künftig verbessern könnte. Noch immer ziemlich schlaftrunken ging es dann zum Frühstück und danach zur Morgenwanderung (etwa 7 Uhr). Dabei sind einen an den Tempel angrenzenden Berg hinaufgewandert und haben auf einem Plateau rund zehn Minuten meditiert, was aufgrund des warmen Sonnenscheins und einer leichten Brise wirklich sehr angenehm war. Die beiden verbleibenden Programmpunkte waren dann noch eine Teezeremonie (natürlich mit Grüntee) und das Mittagessen.

Was lernen wir daraus? Das buddhistische Tempelleben dürfte ganz schön anstrengend sein. Viele Verbeugungen, frühes Aufstehen, generell ein spartanischer Lebensstil. Die Einblicke, die wir in diesen 24 Stunden bekommen haben, waren auf jeden Fall sehr spannend, auch wenn wir über Buddhismus an sich nicht viel erfahren konnten. Aber darauf sind diese Programme ja auch nicht ausgelegt. Zur Selbstfindung oder totalen Entspannung eignet sich das Programm aufgrund der vielen verschiedenen Aktivitäten auch nicht … Trotzdem: Wer einmal nach Korea kommt und Zeit dafür hat, sollte einen Templestay unbedingt einplanen.

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