Ich finde ja, die Postings in sozialen Netzwerken und auf Blogs sollten manchmal ehrlicher sein. Nicht immer ist alles lecker, süß, schön oder sonst was. Manchmal gibt es Tage, da fühlt man sich einsam, unmotiviert, nicht am richtigen Ort. Und diese Tage gibt es selbstredend auch während eines Auslandssemesters. Insgesamt war und ist meine Zeit in Korea natürlich wirklich super. Ich habe in diesen dreieinhalb Monaten so viele nette Leute kennengelernt, tolle Sachen erlebt, viel gutes Essen genossen und auch so manch Überraschendes über die koreanische Kultur gelernt, dass ich mich eigentlich überhaupt nicht beschweren dürfte. Aber dennoch – manchmal reicht schon eine leichte Verkühlung, dass man all das vergisst und einfach nur übel drauf ist. So geschehen am Mittwoch meiner 15. Woche in Seoul. Diesen Tag habe ich vor lauter Unlust schlicht und ergreifend verschwendet. Dabei hatte die Woche doch so fein begonnen …
Konkret war ich am Montagabend gerade dabei, einen meiner Blogposts zu schreiben als plötzlich mein Telefon klingelte. Es war ein Bekannter einer Kollegin vom Koreanisch-Sprachkurs, der Doktorand im German Department meiner Uni ist. Ich hatte meiner Kollegin erlaubt, ihm meine Nummer zu geben, da er vor einigen Jahren für längere Zeit in Österreich studiert hatte und sich wieder einmal mit österreichischem Dialekt herumschlagen wollte. 😀 Bei green tea latte in Hongdae und 돈까스 (“Donkkaseu”, quasi wie Wiener Schnitzel, nur halt koreanisch) nahe der Stadtmauer haben wir uns tatsächlich sehr nett unterhalten. Er war dann auch beim Baseball-Spiel dabei, das ich mir tags darauf mit einer größeren Gruppe exchange students angeschaut habe (nach dem Spiel mit dem Auto heimzufahren anstatt mit der U-Bahn hat schon was :D). Durch das Spiel habe ich dann auch das letzte (!!) floor meeting verpasst, was uns allen aber natürlich ziemlich wurscht war.^^ Jaaaa, wir sind alle schon ein bisschen in der “Endzeitstimmung” angekommen.
Nach dem – wie schon erwähnt – sehr unmotivierten Mittwoch musste ich dann am Donnerstag das letzte Mal meine Lehrveranstaltungen besuchen. Man beachte: Das waren meine letzten LV-Einheiten EVER. Denn wenn ich zurückkomme, muss ich nie wieder eine LV besuchen, sondern “nur mehr” meine MA-Arbeit schreiben, was natürlich noch ein größeres Projekt werden wird … Ebenfalls am Donnerstag habe ich auch meine Unterkunft in Busan gebucht, wo ich am Tag meines Auszugs aus dem Studentenheim mit meiner lieben Freundin Lucy hinfahren werde. Und am Abend gab’s wieder einmal Korean BBQ mit einigen meiner exchange friends (wichtige Erkenntnis: mit beef schmeckt das viiiiel besser als mit pork). 😉
Für den Freitag hatte ich mir ein – nicht ganz unerwartet – anstrengendes Programm einfallen lassen, nämlich einen Spaziergang / eine leichte Wanderung auf der Seoul Fortress Wall, sprich, auf der Stadtmauer von Seoul. Diese fast 19 Kilometer lange Mauer wurde 1396 erbaut und folgt vier Bergen, die die Stadt umgeben (etwa Bugaksan und Namsan) und diente so lange als Stadtmauer wie keine andere auf der Welt. Jenes fast fünf Kilometer lange Teilstück, das ich mir für meine Erkundungstour ausgesucht hatte, liegt zwischen zwei Toren (Hyehwamun und Changuimun) im Norden der Stadt. Ich bin es von Ost nach West abgegangen, denn umgekehrt wäre es aufgrund einer starken Steigung zu anstrengend gewesen. Anstrengend war das Ganze aber dennoch, denn es hatte rund 30 Grad und auch die Sonne hat sich ausnahmsweise nicht versteckt. Die Anstrengung wett gemacht hat allerdings das Treffen einer netten deutschen Touristin und einer älteren Koreanerin (die sogar recht gut Englisch konnte) sowie eine sehr witzige Situation am Beginn der Militärzone der Mauer (die gibt es aufgrund des Präsidentensitzes ganz in der Nähe): Ich wusste, dass ich irgendwann meinen Reisepass herzeigen musste, um weitergehen zu können – nur wo genau, das wusste ich nicht. Als ich also zu einem großen Tor kam, das eine offensichtlich militärische Zone abzusperren schien, dachte ich mir “Das muss es sein!” Für einige Augenblicke stand ich da und nichts passierte. Dann kam ein Soldat auf mich zugelaufen. Ich hielt ihm meinen Pass unter die Nase, doch er sagte nur etwas auf Koreanisch und schien leicht verwirrt. Wenig später kamen noch zwei junge Herren (die wohl gerade ihr military service absolvieren). Was ich denn hier wolle … die Stadtmauer anschauen. Ah, nein, hier gehe es nicht weiter. Ich solle neben der Mauer herlaufen. Gesagt, getan. Wenig später habe ich dann die “richtige” Passkontrolle gefunden – alles gut. Die restliche Wegstrecke über hatte ich dann ein etwas irritierendes Gefühl to be honest – überall gab es hohe Zäune, viele Wächter, Soldaten, Überwachungskameras und Fotografierverbotsschilder – Militärzone eben. Das würde man mitten in der Stadt halt auch nicht vermuten. Aber es war interessant und trotz schlechter Fernsicht (dank pollution) auch schön. Den Abend verbrachte ich dann wieder in netter Runde in Hongdae (Soju auf der Straße trinken … soll man ja eigentlich nicht machen, aber es is einfach cool :D).
Laura, Veronika aus Tschechien, Esther aus Spanien und ich schauten uns dann am nächsten Morgen den wohl schönsten Palast der Stadt an – Changdeokgung. Dieser Palast, der fast 300 Jahre der “Hauptpalast” war, galt schon während der Joseon-Dynastie als besonders, da er einen riesigen “secret garden” hat. Eigentlich sind die Paläste, die ich mir zuvor in Seoul angeschaut hatte, ja immer irgendwie ähnlich gewesen … durch den Garten, den man übrigens nur mit guided tour anschauen kann, hebt sich Changdeokgung aber ab. Er nimmt stolze 60 Prozent der Gesamtfläche ein und beherbergt viele kleine Teiche und Pavillons. Früher war das natürlich vor allem ein Rückzugsort für die Königsfamilie, aber es gab hier auch immer wieder Feste und Wettbewerbe. Wer sich nur einen Palast in Seoul anschauen möchte, der sollte Changdeokgung auswählen.
Nachher begleitete ich Veronika zu einem Lateinamerika-Festival nahe der Hansung University, wo wir viel gutes Essen, traditionelle Musik und Tanzdarbietungen genossen haben. Leider hat uns auch der Regen voll erwischt, aber auch das ging wieder vorbei. Später fuhren wir noch nach Hongdae, wo wir mit Mai aus Norwegen ein Hundecafé (“Bau House”) besuchten. 🙂 Das war vielleicht was! 😀 Angst vor Hunden, die einem locker ins Gesicht schauen könnten oder eine Haarallergie darf man jedenfalls nicht haben. Besonders die kleinen Hunde haben es uns sehr angetan, weil die meisten schon recht müde und daher auch “schmusebedürftig” waren. <3 Später haben wir noch eine kleine Fressorgie veranstaltet :D, denn wir gönnten uns nicht nur ein Eis, sondern auch Dak-galbi (닭갈비, mein koreanisches Lieblingsessen!) und Churros. 😀 Magenweh inklusive, aber gut, wir waren echt selbst schuld. 😀
Nach diesem sehr “gehintensiven” Samstag verbrachte ich am Sonntag viel Zeit im Sitzen. Der Grund: ich ging in die Kirche! Und das gleich zwei Mal. 😀 Nachdem ich in Korea ja noch nicht einmal eine Kirche von innen gesehen hatte und ich ja schon bald wieder nach Österreich zurückkehren werde, war es de facto die letzte Möglichkeit dafür. Zuerst besuchte ich eine der Messen in der Full Gospel Church nahe dem Han River, denn einer meiner Profs hatte sie schon einige Male in seinem Vortrag erwähnt. Diese Kirche der Pfingstbewegung bezeichnet sich selbst als “größte Kirche der Welt” und tatsächlich ist das Ding riesig (im “main sanctuary” haben rund 12.000 Menschen Platz)! Während der sieben (!) Messen jeden Sonntag herrscht ständiges Kommen und Gehen, es gibt mehrere screens, auf denen das Geschehen auf der “Bühne” auch von großer Entfernung mitverfolgt werden kann (entsprechend auch mehrere Kameras), ein Orchester und einen großen Chor, eigene Bänke für Ausländer, die per Kopfhörer eine Live-Übersetzung in einer von mehreren Sprachen zu hören bekommen sowie Platzanweiser für all jene, die nicht zu Beginn der Messe ankommen – so wie ich.^^ Die Messe an sich war ziemlich schräg irgendwie – zumindest wenn man wie ich einen katholischen background hat. Auf den schon erwähnten screens gab es mehrere Einspielungen passend zu dem, was der Pastor gerade sagte (der übrigens zeitweise ziemlich impulsiv war) und außerdem gab es diese spontanen “Gebetssessions”, bei denen jeder einfach frei heraus zu beten schien. Noch viel weirder war dann aber das “International Briefing”, das ich nach der Messe gemeinsam mit einer jungen Australierin besuchte, die mich nach der Messe angesprochen hatte. Bei dieser Infosession sprach einer der mehr als 1000 “elders” der Kirche (ein gebürtiger Amerikaner) über die Grundsätze der Kirche, etwa, dass man angehalten ist, jeden Tag mindestens eine Stunde zu beten. Er klang dabei wie ein Versicherungsvertreter, der einem etwas andrehen will … Die Möglichkeit, Fragen zu stellen gab es auch nicht. Aber gut, zumindest hatte ich mit der jungen Australierin (ihr Name war Julissa) nette Gesellschaft. Mit ihr ging ich nach der Messe auch kurz zum Fluss, wo wir ein paar Fotos machten. Sie war nämlich auf Urlaub und hatte am Tag davor sogar ihren Geburtstag hier gefeiert.
Nachdem ich am Nachmittag noch eine Messe in Myeong-dong besuchen wollte, fuhren wir zusammen mit der U-Bahn hin und genossen hier auch eine feine Nudelsuppe. Um 16 Uhr ging es dann also zur zweiten Messe dieses Tages und die war – obwohl katholisch – wieder ganz anders als das, was ich zuvor erlebt hatte. Konkret hatten etwa einige Frauen weiße Tücher auf ihren Köpfen, was ich noch nie in einer katholischen Kirche gesehen hatte. Außerdem wurde für die Kollekte kein Korb herumgegeben, sondern man musste aufstehen und zum Korb hingehen, was mich einerseits sehr verwirrte und die Dame neben mir dafür sehr amüsierte. 😀 Wie auch in der Full Gospel Church gab es in den Seitenschiffen screens, auf denen man das Geschehen am Altar mitverfolgen konnte. Aufgefallen ist mir auch, dass immer wieder “Danke” gesagt wurde und dass viele mit gefalteten Händen dastanden beziehungsweise sich auch immer wieder leicht verbeugten. Ich war wohl die einzige Ausländerin in der Messe, konnte aber – aufgrund meiner bescheidenen Koreanischkenntnisse – immerhin bei den Liedern mitsingen. Alles andere habe ich natürlich nicht verstanden … Aber es war dennoch eine sehr interessante Erfahrung. Nicht nur, weil sich einige “Abläufe” von jenen daheim unterscheiden, sondern auch, weil ich gesehen habe, dass katholische Kirchen tatsächlich sehr schlicht sein können (siehe Bilder). Nachher gönnte ich mir dann noch eine ganze (!) Portion Bingsu (jaaaaa, das ist wirklich verdammt viel … deshalb bekommt ja auch einen zweiten Löffel dazu :D).
Insgesamt war diese Woche trotz des Durchhängers in der Mitte natürlich trotzdem fein. Aber wie gesagt: Some days are better than others.