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Hier sind alle süchtig. (30.09. bis 03.10.2012)

Sonntag ist der Tag des Herrn. Und deshalb gehe ich bereits am 2. Tag in England brav in die Kirche – in eine anglikanische versteht sich. Meine Chefin und ich fahren in die St. Matthews-Kirche in Darley Abbey, einem kleinen Ort nicht weit von Allestree. Die Kirche sieht eigentlich viel eher wie eine Festung aus, richtig mittelalterlich. Ich bin gespannt.

Der Gottesdienst beginnt. Eine Horde Frauen und Männer unterschiedlichen Alters begeben sich in langen weißen Gewändern in die Bänke neben dem Altar. Ich denke mir noch, dass die da aber viele Ministranten haben. Wenig später erkenne ich, dass das in Wahrheit der Kirchenchor ist. Ministranten gibt‘s keine. Die PriesterIN, sie ist schon etwas älter, macht zu Beginn einige Ankündigungen, auch ein paar scherzhafte Bemerkungen dürfen sein. Später liest die ganze Gemeinde aus kleinen grünen Broschüren, in denen die Messantworten abgedruckt sind. Für einen „Ausländer“ wie mich ist das natürlich sehr praktisch. Die Kommunion ist ziemlich schräg: Man muss nach vorne Richtung Altar gehen, sich dort auf eine Art Bank knien und dann warten, bis man Hostie UND Wein bekommt. Dann tänzelt man zurück zu seinem Platz, die Hände halten sich dabei die wenigsten. Eine durchaus interessante Erfahrung. Werde mir wohl noch öfter englische Messen „ansehen“.

Am Nachmittag düsen Michele, die Französisch-Assistentin (Sarah) und ich noch durch halb Derbyshire. Wir schauen uns den südlichen Teil des Peak Districts an, dem ersten Nationalpark Englands. Auf dem Weg: Kedleston Hall, ein schönes Anwesen mit großen Park, und Ashbourne, eine entzückende kleine Stadt nicht weit davon entfernt. Draußen ist es kalt, ab und an regnet es. Für mich Grund genug, mir an diesem Tag drei Tassen Tee zu gönnen. Denn hier sind alle süchtig. Und zwar nach Earl Grey mit Milch und Zucker. Ahhhh, lovely.

Montag, 1. Oktober. Mein „zweiter erster Schultag“. Wie jeden Tag kommen wir um acht Uhr in der Schule an. Man meldet sich an („sign in“) und versucht, sich an die Namen der Kollegen zu erinnern. Um 8.40 Uhr geht es schließlich auf zum „assembly“, der morgendlichen Versammlung (jeden Montag, Mittwoch und Freitag). Alle Schülerinnen und LehrerInnen kommen dafür zusammen. Und wer sich denkt, dass das bestimmt ein ziemliches Chaos ist, irrt. Denn Disziplin wird an der Derby High großgeschrieben. Keiner muckst sich. Es werden christliche Lieder gesungen, ein Lehrer spricht an diesem Tag über die Bedeutung von „faith“. Vier Schülerinnen, davon eine Muslimin und eine Sikh, sprechen über ihr Verständnis von Glaube. 9 Uhr: Schulbeginn. Ich begleite meine zweite Chefin Sarah (Head of German) in eine Deutschstunde. „Ich habe einen Taschenrechner“, „ich habe einen Kuli“ sagen die Schülerinnen im Chor. Ja, aller Anfang ist schwer. Ganz anders läuft es in der Upper 6-Gruppe, die nächstes Jahr ihre A-levels machen wird. Hier sprechen wir über Umweltschutz, ich zeige meine Graz-Postkarte her und rede ein bisschen über Feinstaub. Passt ja so schön zum Thema. Zum Schluss noch ein neues, österreichisches Wort: „Baba!“ Es sollte zum neuen „running gag“ werden.

Mittagessen in der Schulkantine (Gewürze gibt’s hier offenbar nicht so viele), Kontoeröffnung am Nachmittag. Ich melde mich in der Stadtbibliothek an, gratis Internet kann man schließlich immer brauchen. Vorher noch schnell zum tourist office, denn auch wenn Derby klein ist, muss unbedingt ein Stadtplan her. Ich erkunde noch etwas die Gegend rund um die Howard St, denn dort gibt es ein potenzielles Zimmer, in das ich am Ende auch beinahe eingezogen wäre, wenn da nicht dieser landlord und seine eigenartigen Verträge gewesen wäre. Anyway, die Lektion des ersten Schultages: Ballerinas sind unbequem. A lot.

Dienstag: noch mehr Papierkram. Stunde mit der Lower 6-Gruppe (haben nächstes Jahr ihre AS-Prüfungen). Sehr schüchterne Mädels, da haben wir noch viel zu tun. An diesem Tag sollte ich auch das erste Mal Hausübungen korrigieren. Das ist tatsächlich nicht so einfach, wie es klingt. Was lässt man zu? Was ist komplett falsch? Naja, man findet mit der Zeit die richtige Balance. Abends hatte ich schließlich die Besichtigung in der Howard Street. Dabei ist mir aufgefallen, dass hier in England nicht auf jedem Haus der Straßenname zu finden ist, sondern immer nur auf dem Haus am Anfang der Straße. Das macht die Sache für jemanden, der nicht ortskundig ist, natürlich nicht leichter …

Mittwoch: eine meiner Lehrerkolleginnen kann den Slang von Deutschen, die Englisch sprechen, perfekt nachmachen. Lachen ohne Ende. Außerdem macht die Nachricht, dass eine ehemalige Schülerin der Schule schwanger sei, die Runde. „That happens when you leave Derby High!“, sagt jemand.^^ Wenig später dann der Tiefpunkt des Tages: In der Lower 5 (in einem Jahr GCSE) frage ich die Schülerinnen, was sie denn so über Österreich  wüssten. Langes Schweigen. Irgendwann hebt doch jemand die Hand und sagt „The Sound of Music“. Joooo, hab ich nie gesehen, sage ich. Ist wohl ziemlich klischeehaft, der Film. Naja, wenigstens kam keine Nazi-Bemerkung.
Richtig spannend waren an dem Tag jedoch die Einzelstunden mit den Upper 6-Mädls. Diese Stunden sind eigentlich meine Hauptaufgabe. Es geht um Aussprache, um gute Formulierungen. Und momentan wie gesagt um Umwelt. Ich freu mich auf viele weitere.

Time for some pictures:

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